2017/18 - Yvonne, die Burgunderprinzessin

Mit der Auswahl des Theaterstücks "Yvonne, die Burgunderprinzessin" von Witold Gombrowicz bleiben wir unserer Linie treu. Wieder haben wir ein Stück ausgewählt, das nicht nur Themen unserer Zeit anspricht, sondern am Ende jeden Zuschauer zur Selbstreflexion zwingen wird. Wir freuen uns auf die zahlreichen Proben und sind gespannt auf das Ergebnis!

Am Hofe von König Ignaz herrschen eigentlich klare Regeln: Der König bestimmt, Frau, Diener, Personal haben zu folgen: wenigstens so, dass der König zufrieden ist, die Königin ihren eignen Dingen nachgehen kann und der Prinz - ja, der Prinz, der ist von allem gelangweilt.

Bis da die eine kommt. Die eine, die alles durcheinanderwirbeln wird: Yvonne! Sie ist schweigsam und schwer vermittelbar, doch der Prinz sieht seine Chance, die elterliche Ordnung aus den Fugen geraten zu lassen. Und so beschließt er aus der Laune heraus, Yvonne zu heiraten. Damit wird das fiktive Königreich Burgund kräftig durchgeschüttelt: Die Eltern wähnen einen Skandal, die Bediensteten scheinen sich provoziert zu fühlen und generell scheint die schweigsame, scheinbar hässliche und völlig unbeeindruckte Yvonne auf ihre ganz eigene Art der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Viele blicken genau in diesen Spiegel und das, was sie sehen besteht aus geheimen Wünschen, tiefen Abgründen, verdrängten Schwächen und anscheinend noch so viel anderen Unannehmlichkeiten, dass der gesamte Hofstaat ins Wanken gerät. "Sie steht da wie ein Gewissensbiss", heißt es. Deshalb muss sie weg!

 

 

Regiekonzept

„Mensch sein, das bedeutet künstlich zu sein.“ Dieses Zitat könnte so oder in ähnlicher Form heute in der Presse stehen. Es ist aber schon einige Jahre alt. Es stammt von Witold Gombrowicz. In unserer heutigen Zeit ist es oft nicht leicht, sich von äußeren Faktoren nicht zu sehr beeinflussen zu lassen. Da sind die scheinbaren Freunde, für die man vielleicht bereit ist, sich zu verbiegen. Oder es ist eine bestimmte Schönheits- und Fitnessnorm, der man nicht entspricht, aber gerne entsprechen würde. Online-Plattformen geben uns die Möglichkeit, unsere eigene Identität zu überarbeiten ... hier und da ein wenig zu schummeln. Und die Push-Nachrichten erinnern uns daran, dass wir unser tägliches Workout noch nicht absolviert haben. Der Mensch ist wie ein kleiner Hamster, der zum Konstrukteur seines eigenen Laufrades geworden ist. Wer dazu nicht bereit ist, muss sich oft dafür rechtfertigen, weil er mit der geltenden gesellschaftlichen Norm nicht konform ist. Die menschliche Umwelt kommt relativ schnell zum Ergebnis: Mit dem stimmt etwas nicht. Dahinter verbirgt sich aber ein ganz furchtbares Geheimnis – die Wahrheit. Eigentlich stimmt mit dieser Person alles, denn sie ist wie sie ist – unkünstlich, natürlich, echt. Würden wir uns diese Person zum Vorbild nehmen, dann könnten wir in den Spiegel schauen und uns selbst wieder sehen – so wie wir sind. Doch der Blick in den Spiegel wäre wohl nur von kurzer Dauer, viel zu schnell würde das eingepflanzte Fehlerprogramm starten und Fragen aufwerfen: Bin ich schön genug? Was denken die anderen über mich? Kann ich heute so vor die Tür gehen? Im Stück ist es Yvonne, deren Persönlichkeit nicht den Konformitätsregeln des Hofes  entspricht. Schon nach kurzer Zeit sind alle bemüht, sie zu ergründen und zu verändern und ihre Fratzen zeigen eine skrupellose Unmenschlichkeit. Was passiert mit einer Person, die nicht zur Anpassung bereit ist? Sie wird zum Außenseiter. Und alle anderen? Die bleiben fürchterlich „normal“. Eine absurde Farce.

2016/17 - Räuber Reloaded

In diesem Schuljahr zeigt die Theater-Gruppe „Ratatouille“ des Ursulinen-Gymnasiums im Zusammenspiel mit der Schulband und unter Mitwirkung der A-Capella-Band „Volume“ Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ in neuem und musikalischem Gewand.  Das Musical „Räuber Reloaded“ (Bernd Kohn und Sabine Scholz, Cantus Verlag Eschach) wird am 18.5. vom Ursulinen-Ensemble uraufgeführt – 235 Jahre nach Schillers Uraufführung der literarischen Vorlage in Mannheim. Es könnte also keinen besseren Ort als Mannheim für diese Uraufführung geben.

 

Das Stück zeigt die ungleichen Brüder Karl und Franz Moor. Gleich zu Beginn des Stücks erinnern sich die Brüder an die Bilder und Träume ihrer Kindheit. Es sind aber die mit ihr verbundenen großen Enttäuschungen, die schwerer wiegen und schnell zum Drehmoment des Stücks werden. 

Karl, ein Robin Hood der Neuzeit, rebelliert gegen seinen Vater, der die kapitalistische Gesellschaft und die konventionelle Kleindenkerei verkörpert. Hinter Karl steht eine Räuberbande zahlreicher Egozentriker, die vor allem von ihrem Bedürfnis nach Gewalt gelenkt wird. Hierin begründet sich der blutige Idealismus, der im Laufe des Stücks immer engere Kreise um Karl zieht und ihm selbst am Ende zum Verhängnis wird.

Franz, der ewig zu kurz gekommene, ungeliebte ältere Sohn, will sich endlich das holen, was ihm zusteht: Macht, Reichtum und Amelie. Er ist Sadist, Zyniker und instrumenteller Rationalist in einem. Um seine Ziele zu erreichen, muss er seinen eigenen Vater und seinen Bruder beseitigen. Und so schmiedet er mit abstoßender Leidenschaft seine Intrigen.

Die Brüder stehen in persona für die zwei extremen Positionen im globalen Ganzen, zwischen denen sich die Menschen von gestern und heute verorten müssen. Und so stellt sich bei dieser Neuauflage des Klassikers subtil die Frage: Lohnt es sich angesichts unserer gesellschaftspolitischen Lage, deren Fakten in ihrer Brutalität dem literarischen Stoff in nichts nachstehen, überhaupt noch idealistische Ziele zu verfolgen? Der Grundstein hierfür mag vermutlich in unserem Ureigenen, in unserer Kindheit liegen – deren Bilder und Träume in uns immer wieder erwachen. Es ist auch die Musik mit ihren emotionalen „Ups and Downs“ in diesem Stück, die das kraftvolle Potenzial besitzt, uns zum Ureigenen vordringen zu lassen.

 

„Wer fühlt, was Sturm und Drang sein mag, für den ist er geschrieben.“

(H. L. Wagner, 1777)

2015/16 - König Johann

Inhalt des Stücks

In der Spielzeit 2015/16 begab sich die Theater-AG mit ihrer aktuellen Produktion “König Johann“ (Friedrich Dürrenmatt) auf eine Zeitreise ins England des 13. Jahrhunderts, das unserer Gegenwart erstaunlich nahe ist.

 

Schon Shakespeare hatte der umstrittene englische König Johann derart fasziniert, dass er ihm um 1595 sein erstes Historiendrama “The Life and Death of King John“ widmete.

 

Vom Vater bei der Verteilung des Erbes übergangen, wurde Johann von der Geschichte mit dem Beinamen “Ohneland“ bedacht. Im ewigen Schatten seines ruhmreichen Bruders Richard Löwenherz und in ständiger Fehde mit Frankreich und der katholischen Kirche, genoss der Herrscher seinerzeit wenig Ansehen und musste sich zum Ende seiner Regierungszeit (1199 bis 1216) schließlich weitreichende Rechte vom Adel abringen lassen: 1215 unterzeichnete er die “Magna Carta“, jenes historische Dokument, das als Grundlage des englischen und amerikanischen Rechts und als Wegbereiter für Bürgerrechte und Demokratie gilt.

 

In den sechziger Jahren wurde das selten gespielte, weil als sperrig empfundene Shakespearestück unter der Feder Dürrenmatts zu einem sehr eigenständigen Werk.

 

"Die Großen dieser Welt, machtgierige Zyniker allesamt, saufen, fressen, huren, foltern, morden, sengen, plündern, schachern, und der kleine Mann ist immer der Dumme.“ diese traurige Moral bescheinigte der SPIEGEL dem Stoff schon 1968.

 

Und auch fast 50 Jahre später sind die absurd wirkenden Kapriolen der Machtpolitik, ausgetragen auf dem Rücken des einfachen Volkes, ein zeitloses Thema, das angesichts militärischer Auseinandersetzungen wie dem Ukrainekonflikt große Aktualität besitzt. Genau das interessierte uns an “König Johann“. 

2014/15 - Die heilige Johanna der Schlachthöfe

Inhalt des Stücks

Nach dem Ersten Weltkrieg haben sehr viele Amerikaner ihr erspartes Geld in Aktien angelegt. Die Überproduktion in den USA führt zu einer Absatzkrise. Die Folge sind Kurseinbrüche und Panikverkäufe. Armut, Kriminalität und Massenverelendung kennzeichnen das Alltagsleben eines Großteils der Bevölkerung. Gleichzeitig finden Nahrungsspekulationen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung statt.

In dieser Zeit der Weltwirtschaftskrise spielt das Drama „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Chicagos mächtigster Fleischkönig, Pierpont Mauler, möchte infolge eines Briefes von seinen Börsenfreunden aus New York und der darin enthaltenen Nachricht der fallenden Börsenkurse sein Geschäft möglichst schnell an seinen Kompagnon Cridle verkaufen. Auf den Straßen versuchen die Mitglieder der Heilsarmee gegen das wachsende Elend der Arbeiter aus den Fleischfabriken anzukämpfen, aber ihnen gehen die Mittel aus und Gottes Wort vermag die existenziellsten Bedürfnisse der Menschen nicht zu befriedigen. Johanna Dark, Soldatin Gottes, nimmt den Kampf gegen die Ungerechtigkeit auf den Schlachthöfen auf. Sie wendet sich an Mauler und fragt ihn: „Warum, Mauler, sperrst du die Arbeiter aus?“ Mauler, der sich mit philanthropischen Ausflüchten tarnt, möchte Johanna beweisen, dass die Armen durch ihre Schlechtigkeit ihr Unglück selbst verschulden. Auf dem Schlachthof erkennt sie aber in der Armut der Menschen den wahren Grund für ihre Schlechtigkeit. Gemeinsam mit der Heilsarmee zieht Johanna zur Viehbörse, um Ordnung zu schaffen. In der Zwischenzeit haben Maulers Freunde aus New York wieder zum Fleischkauf geraten und so entsteht für einen kurzen Augenblick der Eindruck, Mauler würde tatsächlich den Markt retten und die Armut beseitigen wollen. Johanna spielt dem scheinbar skrupellosen Kapitalisten immer mehr in die Hände und begreift zu spät, dass Maulers erneute Monopolstellung die Not in kurzer Zeit vergrößern muss. Johanna stellt sich auf die Seite der „Wartenden“ und „Hungernden“ auf den Schlachthöfen. Als ein Generalstreik mit dem Aufruf zur Gewalt vorbereitet wird, wird Johanna zur tragischen Figur, denn sie verrät – Opfer falscher Informationen und Anhängern der Gewaltlosigkeit – ihre Verbündeten. Der Streik wird niedergeschlagen, das kapitalistische System in der Personifikation Maulers siegt. Auch die Religion ist mittlerweile ein Bündnis mit dem Kapitalismus eingegangen.

 

Johanna bricht unter der Last ihrer Schuld zusammen. Um eine Verbreitung ihrer Erfahrungen und Einsichten zu verhindern, verklären die Fleischhändler Johanna zu einer Märtyrerin. Laute Sprechchöre lassen ihren letzten Schrei verstummen: „Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht, und / Es helfen nur Menschen, wo Menschen sind“.

2012/13 - Der eingebildete Kranke

Inhalt des Stücks

 

Argan, ein überzeugter Hypochonder, der zu jeder Zeit von einem Arzt und Apotheker umgeben sein muss, möchte seine Tochter Angélique mit dem Neffen seines Arztes vermählen, um seine medizinische Versorgung in der Familie zu sichern. Angélique ist aber in einen anderen jungen Mann, Cléante, verliebt.

 

Im Hintergrund schmiedet Angéliques Stiefmutter Béline heimlich Pläne: Um an ein stattliches Erbe zu gelangen, ist sie bereit, im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen zu gehen. Doch während Argan vor lauter Prä-Diagnosen und aktualisierten Lebensprognosen die Orientierung verliert, zeigt das Dienstmädchen Toinette ihre ganz eigenen Heilkräfte. Ihr quirliges und scharfsinniges Naturell sorgt für eine klärende Spülung im Hause Argans. Erfrischung garantiert!

 

Die Komödie „Der eingebildete Kranke“ von Molière zählt zu den Klassikern der Weltliteratur. Damals wie heute hält Moliere der Gesellschaft einen Spiegel vor, der sie als intrigant, profitsüchtig und neurotisch entlarvt. Da erscheint es geradezu grotesk, dass Molière am 17.02.1673 während der Aufführung des Stücks zusammenbricht – er stirbt im Kostüm Argans!